Buch – Das neue Spiel

„Daten, von denen wir nicht wussten, dass es sie gibt, finden Wege, die nicht vorgesehen waren und offenbaren Dinge, auf die wir nie gekommen wären.“

Bereits sind die ersten beiden Module meiner CAS Weiterbildung Medienpädagogik vorbei und mein Vorsatz, davon hier im Blog zu berichten, noch nicht erfüllt. Das kann ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen und möchte mit dem einführenden Zitat ein Anfang machen. Im Modul „Medien- und Informationskompetenz“ bin ich auf einen Vortrag von Michael Seemann zum Thema zentrale und dezentrale Netzwerke gestossen und über diesen auf sein Buch „Das neue Spiel“. Dieses habe ich anschliessend auf meinen Reisen nach St. Gallen gelesen und möchte hier kurz berichten.

Überblick

Wie der Untertitel „Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust“ verrät, geht es im Buch um den Kontrollverlust als ein wichtiges Element der technologiebetriebenen sozialen Entwicklung der letzten Jahre und ein Vorschlag, wie damit umgegangen werden könnte. Das Buch ist auf der Webseite von Michael Seeman unter der WTFPD-Lizenz (Do What the Fuck You Want to Public Digital License) digital oder über Links auch gedruckt verfügbar. Ganz grob ist es in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil „Der Kontrollverlust“ beschreibt Seemann diesen und die drei Grundbedingungen die dazu führen sehr detailliert. Im zweiten Teil „10 Regeln für das Neue Spiel“ versucht er dann aufzuzeigen, wie mit diesem Kontrollverlust umgegangen werden könnte/sollte.

Spannend fand ich vor allem der erste Teil in welchem Seemann die drei Grundbedingungen, die den Kontrollverlust über unsere Daten bedingen, sehr detailliert und mit einer Vielzahl von Beispielen beschreibt:

  • Digitalisierung unserer Lebenswelt (enge Verknüpfung der digitalen und analogen Welt, ermöglicht durch eine wachsende Anzahl von Sensoren)

  • Speicherung von Daten wird immer günstiger und das Kopieren immer einfacher

  • Datenanalyse wird durch immer mehr Rechenkraft immer besser und ermöglicht bessere Einblicke

(Bekannte Beispiele für die Auswirkungen dieses Kontrollverlustes sind die Musikindustrie, deren Umsätze auch wegen illegaler Kopien stark schrumpften oder die US-Regierung, der ein einzelner Datenarbeiter mit ein paar Kopierbefehlen umfassende Geheimdokumente entwenden konnte.)

Grundaussage

Die Grundthese von Seemanns geht darauf hinaus, dass die Digitalisierung unser Leben komplett auf den Kopf gestellt hat, Denkweisen und Regeln aus dem 20. Jahrhundert gelten dabei nicht mehr und laufen ins Leere. Wir sind nicht mehr in der Lage, unsere Daten zu schützen, weil wir gar nicht mehr den Überblick darüber haben, an welchen Stellen sie erhoben werden und was damit geschieht. Wir können uns praktisch nicht mehr dagegen wehren, dass diese Daten erfasst werden. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass wir abhängig sind von „unseren Kontrollverlustapparaten, weil ihre Vorteile so viel offensichtlicher sind als die Probleme, die sie verursachen.“

Staaten spielen in diesem Szenario nur noch eine untergeordnete Rolle. Die neuen Machthaber sind die Datenverwalter (Internetplattformen wie beispielswiese Facebook), die durch Netzwerkeffekte gross geworden sind. Der Wunsch nach strikter Kontrolle von Daten schwäche am Ende nur die Zivilgesellschaft, fürchtet Seemann. Denn dafür müssten Staaten und Plattformen nur noch mächtiger werden, als sie ohnehin schon sind.

Seemann ist im zweiten Teil der Überzeugung, dass es ein gutes Spiel werden könnte, falls wir die Realität anerkennen und uns von der Illusion verabschieden, wir könnten unsere Daten noch schützen. Er plädiert in die Richtung davon, dass alle Daten für alle verfügbar sein sollten. So richtig überzeugt bin ich persönlich jedoch noch nicht vom Lösungsansatz dieser absoluten Transparenz. Möchte ich wirklich, dass alle, auch noch so sensiblen, Daten für alle verfügbar sind? Gibt es jedoch einen Weg daran vorbei oder überlasse ich dann all meine Daten einfach gewissen Plattformen?

Transfer in die Schule

Nachdem das Buch fertiggelesen war, stellte sich mir natürlich die Frage, was davon und vor allem in welcher Form ich den Schülerinnen und Schülern (aber auch Lehrpersonen – dazu in einem späteren Blogbeitrag mehr) weitergeben möchte. Allzu tief in die Thematik eintauchen kann ich dabei sicher nicht. Diesbezüglich möchte ich den ersten Teil des Buches noch ein zweites Mal lesen und durch die Sichtweisen von anderen Autoren ergänzen. Zwei relativ allgemeine Punkte möchte ich meinen Schülerinnen und Schüler aber ganz bewusst weitergeben:

  • Umgang mit den eigenen Daten (Wem gebe ich welche Daten? Was habe ich davon und was hat der „neue Besitzer“ davon?)

  • Funktion und Macht der Plattformen (Wie sieht das Geschäftsmodell wichtiger Plattformen aus? Wozu verwenden die Plattformen meine Daten? Welche „Macht“ haben Plattformen in meinem Leben?)

Im ersten Lektionsblock im Fach Medien und Informatik (Blogbeitrag) habe ich dies bereits thematisiert, möchte es aber sicher bei einem nächsten Jahrgang noch etwas mehr vertiefen. Die geeignete Form dafür muss ich jedoch noch finden.

Merkpunkt für Lehrer Boller

„Und halbjährlich grüsst das Büchertier…“ Nach jedem gelesenen Buch, bin ich hochmotiviert weitere Bücher zu lesen – da ändert auch der Wechsel zur Acht zuhinterst in der Jahreszahl nichts. Mal schauen, ob ich noch die eine oder andere Stunde im Jahr 2018 finde, damit es Ende dieses Jahres etwas mehr Bücher sind.

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