Es menschelt…

Warum ist der letzte Blogpost schon beinahe ein halbes Jahr alt? Warum wird wohl ein Computer Mühe haben, die Lehrperson komplett zu ersetzen? – Es menschelt…

Es menschelt im Hause Boller

Die letzten sechs Monate ist es ruhig geworden auf dieser Webseite. Der Grund dafür ist ein menschlicher oder noch besser gesagt ein Mensch. So einer ist im Sommer zu uns gestossen und hat mich über Nacht zum Vater gemacht. Mit dem Geburtstermin hielt sich es mein Sohn nicht so genau und wollte bereits zwei Monate früher zur Welt kommen, konnte dann aber glücklicherweise von den Ärzten überzeugt werden zumindest noch einen Monat im Bauch meiner Frau zu bleiben. Doch nicht nur die Zeit rund um die Geburt war ziemlich turbulent, auch nachher hat der junge Mann meinen Alltag durcheinandergewirbelt. Klar hört man von allen Seiten, was es bedeutet Vater zu sein, doch so richtig realisiert habe ich es erst, als mein Sohn auch wirklich da war. Hatte ich vorher mein Leben (vermeintlich) im Griff und den Alltag jeweils gut durchorganisiert, war dies plötzlich nicht mehr in diesem Mass möglich. Mein Sohn schert sich nicht darum zu welchem Zeitpunkt ich etwas essen, lesen, arbeiten oder schlafen möchte, er hat seine eigene „Idee“ vom Tagesablauf und pocht auch lautstark darauf. Dies ist auch gut so. Ich habe mich riesig auf meinen Sohn gefreut und bin täglich aufs Neue fasziniert von ihm!

 Es menschelt in der Schule

Diese Erfahrung zu Hause liess mich wieder einmal mein Blick auf die Schule kritisch hinterfragen. Als Lehrperson habe ich bei meiner Arbeit tagtäglich mit Menschen zu tun. Dies ist für mich auch ein wichtiger Faktor, der den Beruf so spannend macht. Wenn ich einfach alle drei Jahre mehr oder weniger die gleichen Unterrichtsinhalte vermitteln müsste, würde mir schnell langweilig. Das Gegenüber ist jedoch immer ein anderes und macht den Unterrichtsalltag spannend.

Im Zusammenhang mit der Digitalisierung ist immer wieder die Rede davon, dass Computer immer mehr Aufgaben der Lehrperson übernehmen werden und dies auch „besser“ erledigen können (Stichworte dazu sind „Big Data“ oder „Learning Analytics“). Dies ist sicher in gewissen Bereichen der Fall, doch je mehr es „menschelt“ umso schwieriger wird es für Computer und umso mehr ist die Lehrperson als Mensch gefragt. Eine Schlüsselerfahrung dazu habe ich bei einer Stellvertretung als frisch ausgebildete Lehrperson gemacht: Bei einem Schüler, der an einem Nachmittag völlig unkonzentriert war und frech wurde, sah ich mich gezwungen ihn für den Rest der Lektion vor die Tür zu stellen. Erst in der anschliessenden Pause erfuhr ich von der Klassenlehrperson, dass dieser Schüler am Mittag eine Absage, die zwanzigste, auf eine Lehrstellenbewerbung erhalten hatte, in welche er so viel Hoffnung gesteckt hatte. Mit diesem Hintergrundwissen konnte ich in den folgenden Lektionen ganz anders auf den Schüler zugehen, ihn unterstützen und in den Unterricht integrieren. Für eine Maschine wäre es viel schwieriger gewesen mit den Feinheiten dieser Situation und der Persönlichkeit des Schülers umzugehen.

Merkpunkt für Lehrer Boller

Mich persönlich haben diese Überlegungen motiviert in Zukunft wieder etwas mehr Gewicht auf die Beziehung zu den einzelnen Schülerinnen und Schüler zu legen, um diese bei ihrem Lernprozess besser unterstützen zu können. Wenn ich so einer Schülerin oder einem Schüler etwas für die Zukunft mitgeben kann, ist dies sicher wertvoller, als ein möglichst perfekt gestaltetes Arbeitsblatt.

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